Zur Kapitalimus-Kritik der Naomi Klein

Naomi Klein ist so etwas wie der derzeitige shooting star der degrowth-Bewegung. Der Titel ihres neuen Buches verspricht einiges: „Die Entscheidung. Kapital vs. Klima“. Klärt Naomi Klein hier also endlich die so entscheidende Frage, ob Klimagerechtigkeit und Kapitalismus zusammen gehen? In diesem Beitrag diskutiere ich ihre in den „Blättern“ (5’15)1 abgedruckte democracy lecture, in der sie die Thesen ihres Buches2 prägnant zusammenfasst.

Kapitalismus oder Neoliberalismus?

Die Frage, auf die ich hier die Antwort suche ist die, ob Kapitalismus und Klimagerechtigkeit grundsätzlich unvereinbar sind, oder ob das Problem eine spezifische neoliberale Spielart des Kapitalismus darstellt. Wäre letzteres der Fall, dann ließen sich quasi Kapitalimus und Klima gemeinsam retten: Durch einen (wieder) stärker regulierten Kapitalismus keynesianischer Prägung mit starken staatlichen Sektoren, insbesondere im Bereich der öffentlichen Grundversorgung (Wasser, Strom, Gas, ÖPNV etc.). Wenn aber alle Spielarten des Kapitalismus zu Extraktivismus und Klimakatastrophe führten, dann müssten die politischen Konsequenzen sehr viel radikaler ausfallen. Wie sieht nun Naomi Kleins Antwort aus? Continue reading

Anständige Arbeit, Leistungsgerechtigkeit und dekadente Erben

In ihrem jüngsten Essay im ZEIT-Magazin (11/2015) diskutiert Julia Friedrich die Ungerechtigkeit von Erbschaften. Erbschaften erhöhten, so Friedrich, die soziale Ungleichheit, unterminierten Chancengleichheit und seien gleichzeitig eine schwere Bürde für die Erben, die mit dem unverdienten Geld nicht umgehen könnten, faul und dekadent werden würden. Jens Jessen dekonstruiert Friedrichs Essay in DIE ZEIT (vom 19.3., S. 26) und schlussfolgert aus seinen Überlegungen, dass Erbschaften ganz im Gegenteil die Gesellschaft sogar humaner machten. Beide haben unrecht.

Warum findet Julia Friedrich Erbschaften so himmelschreiend ungerecht? Weil diese nicht auf eigener Leistung und ehrlicher Arbeit beruhten und somit unverdient seien. Friedrich reproduziert damit in ihrem Essay die moderne Erzählung von Leistungsgerechtigkeit, Chancengleichheit und ehrlicher Arbeit. Dies geschieht durch eine Vielzahl von Zitaten von nicht-Erben (aber auch Erben!), die allesamt der Meinung sind, dass jeder und jede sich den eigenen Wohlstand legitimerweise nur durch anständige, harte Arbeit verdienen dürfe. Continue reading