Dissertationsprojekt

„Die Abtrennung des Reproduktiven“ (Arbeitstitel)

Ab dem Sommersemester 2015 bin ich Doktorand an der BGHS (Bielefeld Graduate School in History and Sociology). Meine Dissertation ist im „Arbeitsbereich Geschichte moderner Gesellschaften 18.-20. Jahrhundert“ angesiedelt und wird von Prof. Thomas Welskopp betreut.

Kurzbeschreibung

Unter Arbeit wird heute fast ausschließlich Erwerbsarbeit verstanden und diese bestimmt die Agenda aller politischen Parteien. Andere Politikbereiche werden diesem Ziel untergeordnet (Klimaschutz) oder aber instrumentalisiert (Bildung). Dabei ist das, was wir heute unter Erwerbsarbeit verstehen, ein historisch sehr spezifisches und kontingentes Konstrukt. Darauf hat die feministische Kritik seit den 80er Jahren immer wieder hingewiesen, wenn sie die Abtrennung reproduktiver Tätigkeiten kritisierte. So sei die kapitalistische Produktion zwar existenziell auf reproduktive Leistungen angewiesen, aber diese würden weder anerkannt noch honoriert. Adelheid Biesecker sieht in der Institutionalisierung der Erwerbsarbeit als einzige „produktive“ Tätigkeit sogar die Ursache für die „Krise der Reproduktionsarbeit“ – womit sie sowohl Natur-Reproduktivität (Umwelt- und Klimakatastrophe) als auch weibliche Reproduktivität (Care-Tätigkeiten, Pflegenotstand) meint.

Meine Dissertation schließt an diese überzeugende Kritik an. Allerdings frage ich nicht nach den Folgen der Marginalisierung und Abtrennung reproduktiver Tätigkeiten, sondern nach ihren historischen Ursachen. So finden wir heute eine räumlich, zeitlich und rechtlich klar abgegrenzte Sphäre der Erwerbsarbeit vor – gleichzeitig gibt es erstaunlich wenig Forschung zu den historischen Ursachen ihrer Herausbildung. Für den für die Frage besonders relevanten Zeitraum von 1880 bis 1930 untersuche ich, wie sich die Trennung der beiden Lebensbereiche durchsetzte, wie sie aufrecht erhalten wurde, und aus welcher Dynamik zwischen kapitalistischer Systemlogik und lebensweltlichen Anpassungs- und Überlebensstrategien sie sich erklären lässt.

Die Perspektive scheint geeignet, neues Licht auf die Entstehung eines zentralen Organisationsprinzips moderner Gesellschaften zu werfen. Sie beleuchtet den Prozess der Ausdifferenzierung einer separaten Sphäre der Produktion, der nicht nur auf sozialstruktureller Ebene gesellschaftliche Strukturen prägte, sondern auch auf semantischer Ebene unser heutiges Verständnis von Erwerbsarbeit.

Exposé zur Dissertation

Hier das ausführliche Exposé. [download]

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