In ihrem jüngsten Essay im ZEIT-Magazin (11/2015) diskutiert Julia Friedrich die Ungerechtigkeit von Erbschaften. Erbschaften erhöhten, so Friedrich, die soziale Ungleichheit, unterminierten Chancengleichheit und seien gleichzeitig eine schwere Bürde für die Erben, die mit dem unverdienten Geld nicht umgehen könnten, faul und dekadent werden würden. Jens Jessen dekonstruiert Friedrichs Essay in DIE ZEIT (vom 19.3., S. 26) und schlussfolgert aus seinen Überlegungen, dass Erbschaften ganz im Gegenteil die Gesellschaft sogar humaner machten. Beide haben unrecht.
Warum findet Julia Friedrich Erbschaften so himmelschreiend ungerecht? Weil diese nicht auf eigener Leistung und ehrlicher Arbeit beruhten und somit unverdient seien. Friedrich reproduziert damit in ihrem Essay die moderne Erzählung von Leistungsgerechtigkeit, Chancengleichheit und ehrlicher Arbeit. Dies geschieht durch eine Vielzahl von Zitaten von nicht-Erben (aber auch Erben!), die allesamt der Meinung sind, dass jeder und jede sich den eigenen Wohlstand legitimerweise nur durch anständige, harte Arbeit verdienen dürfe. Continue reading