Zur Kapitalimus-Kritik der Naomi Klein

Naomi Klein ist so etwas wie der derzeitige shooting star der degrowth-Bewegung. Der Titel ihres neuen Buches verspricht einiges: „Die Entscheidung. Kapital vs. Klima“. Klärt Naomi Klein hier also endlich die so entscheidende Frage, ob Klimagerechtigkeit und Kapitalismus zusammen gehen? In diesem Beitrag diskutiere ich ihre in den „Blättern“ (5’15)1 abgedruckte democracy lecture, in der sie die Thesen ihres Buches2 prägnant zusammenfasst.

Kapitalismus oder Neoliberalismus?

Die Frage, auf die ich hier die Antwort suche ist die, ob Kapitalismus und Klimagerechtigkeit grundsätzlich unvereinbar sind, oder ob das Problem eine spezifische neoliberale Spielart des Kapitalismus darstellt. Wäre letzteres der Fall, dann ließen sich quasi Kapitalimus und Klima gemeinsam retten: Durch einen (wieder) stärker regulierten Kapitalismus keynesianischer Prägung mit starken staatlichen Sektoren, insbesondere im Bereich der öffentlichen Grundversorgung (Wasser, Strom, Gas, ÖPNV etc.). Wenn aber alle Spielarten des Kapitalismus zu Extraktivismus und Klimakatastrophe führten, dann müssten die politischen Konsequenzen sehr viel radikaler ausfallen. Wie sieht nun Naomi Kleins Antwort aus? Continue reading

Workshop: „Wachstum ohne Alternativen? Geschichtskulturelle und wissensgeschichtliche Dimensionen von Wachstumsnarrativen“

Dies ist der Tagungsbericht zu einem äußerst spannendem Workshop am MPI für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, an dem ich am 6./7.11. teilgenommen habe. Er ist soeben bei HSozKult veröffentlicht worden.

Veranstalter: Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Forschungsgruppe „Eine Wissensgeschichte der menschlichen Vielfalt im 20. Jahrhundert“
Datum, Ort: Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, 06. und 07. November 2014

Tagungsbericht

Wirtschaftliches Wachstum wird heute als Patentlösung der meisten gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Probleme angesehen. Ob es sich um Arbeitslosigkeit, Armut, die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates oder Staatsverschuldung handelt, ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) scheint alternativlos. Gleichzeitig mehren sich wachstumskritische Stimmen. So nahmen an der Anfang September in Leipzig ausgerichteten 4. degrowth-Konferenz über 3000 Wissenschaftler_innen und Aktivist_innen teil, die alle die Vorstellung einte, dass das moderne Wachstumsparadigma ein Teil des Problems und nicht der Lösung darstellt.

In einem von Veronika Lipphardt (Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin), Martin Lücke (Freie Universität Berlin) und Birger Priddat (Universität Witten/Herdecke) veranstalteten interdisziplinären Workshop wurde nun gefragt, wie der Wunsch nach stetigem Wachstum zu einer so mächtigen Leitidee werden konnte. Continue reading

Konsumkritik und Werbung

Wachstumskritik kommt um Konsumkritik nicht herum. Denn Wirtschaftswachstum bedeutet die Produktion von immer mehr Gütern und Dienstleistungen in der selben Zeit, und die nun mehr produzierten Waren müssen konsumiert werden. Wachstumskritiker_innen wie Niko Paech fordern daher weniger oder anderen Konsum und nehmen damit direkt die Verbraucher_innen und ihr alltägliches Verhalten in die Verantwortung.

Eine Initiative (das “Amt für Werbefreiheit”) aus Berlin-Kreuzberg engagiert sich für ein werbefreies Berlin. In ihrer Begründung schließt die Initiative direkt an wachstums- und konsumkritische Argumentationen an: Werbung habe das Ziel Menschen zum Konsum von immer mehr Waren zu manipulieren. Und der wachsende Verbrauch von Waren stehe den Zielen Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit entgegen. “The goal of advertising is to sell more stuff to more people more often for more money” wird der ehemaligen Marketing-Direktor von Coca-Cola zitiert.

Wie problematisch stetig steigender Konsum und die zunehmende Durchdringung von immer mehr Lebensbereichen durch Werbung ist, steht außer Frage. Allerdings stehen die Initiatoren vor einem nicht zu unterschätzenden Abgrenzungsproblem: nicht jeglicher Konsum wird problematisiert. Es geht dem “Amt für Werbefreiheit” nicht darum, Informationen (oder Werbung?) für kulturelle Veranstaltungen oder ähnliches zu verbieten. Sie meinen natürlich Werbung für Axe (sexistisch), Roundup (umweltschädlich) oder Continue reading